Aktuell hat die Verleihung des Astrid Lindgren Gedächtnis-Preises, die allerhöchstdotierte Auszeichnung im Bereich der Kinderliteratur, keine geringen Irritationen und Verwunderung ausgelöst.
Die Kandidatenliste, die aus 67 Ländern für diese zufriedenstellende satte Belobigung zusammengestellt wurde, umfasste für 2013 mehr als 200 Namen. Die Jury entschied sich für Marisol Misenta, eine 41jährige Argentinierin, die unter dem Autorennamen Isol publiziert. „Isol schafft Bilder aus der Sicht des Kindes“, sagt Larry Lempert, der Vorsitzende der Jury, und fügt hinzu, „ihre Bilder vibrieren vor Energie und explosivem Gefühl“.
Würde gern mal wissen, was Maurice Sendak, erster Preisträger 2003, zu solch einer gewagten Hymne gesagt hätte oder was Tomi Ungerer oder Lisbeth Zwerger oder Anthony Browne und noch einige andere, die seit Jahrzehnten die kinderliterarische Bilderbuchwelt an- und aufgestoßen und befeuert haben, sagen würden.
Man wolle junge Autoren fördern, heißt es aus dem Kreis der Jurymitglieder. Mit 592.000 Euro. Ein gewaltiger Ansporn? Nein – eine despektierliche, flapsige Entgleisung gegenüber Obengenannten.
Ich muss einsehen, zu den Vorvorgestrigen zu gehören, meine vergangenheitsgeprägten Erwartungen müssen wohl durch Marisol Misenta schleunigst deletet werden; die Akuratesse von Anthony Browne, ab ins Zufällige; die verschmitzten Winkel der Sendakschen Figuren, überflüssiges Detail; die bewegungsintensiven Gestalten von Lisbeth Zwerger müssen einer ruppigen Figurengebung Platz machen, die zubeißende Ironie und die Grausamkeitlein eines Tomi Ungerer werden durch deftige Striche ins Plakative gepinselt.
Schnoddrige Mühelosigkeit auf zwei Farbhintergründen und eine Story, die mit der Faust aufschlägt, dass das, was man glaubt zu sehen, nicht immer der Wahrheit entspricht, soll im Bilderbuch „Wie siehst du denn aus?“ kleine Kinder in Wallung und ins Vergnügen bringen.
Es geht um Frisuren, Haargetüme, wie sie nach dem Aufstehen um den Kopf abstehen und so die Mutter von der kleinen Tochter als Stachelschwein wahrgenommen wird. Ist das nun gruselig oder nur an den Haaren herbeigezogen erschröcklich?
Jede Frau sieht wohl ein wenig derangiert aus, wenn sie sich des Morgens noch nicht aufgebrezelt hat. Männer auch, ja, ja.
Die ungekämmten, ungefönten, unbehandelten Köpfe sehen bei allen wie zerrupft aus. Ist das eine dolle kindliche Erkenntnis? Eher eine schlappe Story. Und die expressiven Zeichnungen, auf beigen und türkisigen Farbflächen? Mit schwarzem Pinselstrich sind die Gestalten hingeworfen, aufgerissene Münder, überquellende Knopfaugen.
Tim Burtons Frankenweenie nickt mal empört aus den laufenden Bildern rüber. Bei Isol knirscht es mehr als es komisch ist.
Das Leporello „Ein Entlein kann so nützlich sein“- „Ein Kind kann so nützlich sein“, beidseitig für den Perspektivenwechsel auf die Welt genutzt, ist so geheimnislos wie einfachst. Nominiert von der Stiftung Buchkunst. Nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis. Ob man sowas auch mal nicht begreifen muss?