Hook’s Ghost

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-oder man muss nicht immer Anhänger meiner  Meinung sein

iStock_000019012355XSmall„Hallt etwas in den Elfenbeinturm?“

Doch, er ist wichtig“ titelte „DIE ZEIT“ am 3.11.2011 einen Artikel, in dem die Meta – Studie „Visible learning“ des Australiers John Hattie zusammengefasst ist, der 800 internationale Metastudien ausgewertet und 138 Einflussfaktoren herausgefiltert hat, was im Unterricht nachhaltig wirkt. „Eigentlich ein Paukenschlag“ fand  Michael Felten, der den Artikel verantwortete.

Was ist nun der allernachhaltigste Einflussfaktor? Es ist eine Die – die Lehrperson. Was für eine Überraschung! Nicht das geborene pädagogische Ausnahmetalent ist angesagt, es ist die Person, die das strukturierte, klare, störungspräventive Handeln erlernt hat und dies mit  einer ermutigenden, fehlerfreundlichen Zuwendung verbindet. Ein Paukenschlag?

Hatte Michael Felten nicht selbst die Hattie – Einsichten in seinem Buch „Auf die Lehrer kommt es an“ vorweggenommen?

Sollten die obengenannten „wirkungsmächtigen Faktoren“, die mit „aktivierenden Lehr- und Lernstrategien, Eruierung des Vorwissens“ sowie „fachlichen Materialien und Programme  zur Unterstützung leistungsschwächerer Schüler“ ergänzt werden, auch in die Bemühungen der Studierenden und vor allem in die der Lehrenden und Forschenden gehören? Denn Lernen und Unterrichten und Lehren ist ein beziehungsreiches Trio, das an alle beteiligten Personen im Bildungsprozess deutliche Forderungen stellt.

Zunächst werden Studierende des Lehramts vom Eisenhaken in den Hals geritzt ; das nächste Mal sind die anderen dran.

Neben den überwiegend Ausgeschlafenen und Wissbegierigen fallen von Semesterbeginn an störungsanfällige  Studierende auf, die mit einer Coolness, einer Mixtur aus Selbstzufriedenheit und Genügsamkeit, verbreiteter Bequemlichkeit und überschaubarer kognitiver Inanspruchnahme andere beeinflussen. Hörbar. Sichtbar.

– Da gibt es den Spätkommer, regelmäßig, wenige Minuten, den Achselzucker, Kopf-auf-die-Bank-Leger, Unter-Bank-Handy-Einschalter, SMS-Versender, der  zwischen Notebook und iPhone hin- und herswitcht, mal kurz aufgrinst, der, nach Beendigung des Seminars, auf Nachfrage zur Tätigkeit, die grandios schamlose Antwort gibt: Er hätte ein Buch bestellt. 20 Minuten  verbrauchte er dafür, in einer Zeit, in der Strukturen dargelegt, Erläuterungen gegeben und Arbeitsaufträge  mitgeteilt wurden. Zwischenzeitlich wurden ihm von den Ausgeschlafenen und Wissbegierigen, die die Unterlagen vom letzten Seminar bereit hielten, diese zugeschoben und die verpassten Informationen zugeflüstert. Seine Message: So geht`s doch auch.

Wie wird sich dieses menschliche Legosteinchen später in die brennende Neugier einfügen, um der vitalen Inanspruchnahme von Kindern gerecht zu werden?

– Da gibt es das Quasseltrio, das während einer fünfzehnminütigen Retrospektive und Würdigung zum aktuell verstorbenen Bilderbuchkünstler Maurice Sendak, ohne Pause ineinander verquirlt plappern – und auf Nachfrage angeben, man hätte überlegt, in Afrika Lehrerin zu werden.

Soll Widerstand geleistet oder kapituliert werden vor den Laptop-Aufklappern, die alles in den Rechner hämmern, was sie hören? Oder wird gar für einige Minuten Facebook durchforstet? Denn – kaum einer hebt den Blick vom Schirm, um das Fragwürdige, Ironische, Vernachlässigungswerte, Merkwürdige aus Mimik und Gestik der Erklärenden herauslesen zu können. Die Bedeutungen der Wörter: Gelogenes, Zweifelhaftes, Wahrhaftiges, die nur mit Hilfe der nonverbalen Mitflüsterer zu erdenken sind, vollzieht sich doch von Angesicht zu Angesicht und signalisiert dem Sprecher, ob verstanden oder nochmal mit anderen Worten zu erklären ist.

Es sind wenig Studierende, die sich diese oder ähnliche Fahrlässigkeiten erlauben; aber zuviele, wenn es um einen Beruf geht, in dem Wachsamkeit, Aufmerksamkeit, Konzentration auf Gesagtes und Gezeigtes vorbildhaft wirken sollten und solides Wissen aufzunehmen ist.

Es scheint in der Bildungsszene zu brodeln, zumindest journalistisch, sonst hätte „DIE ZEIT“ nicht am 3. Jan. 2013 einen Artikel mit der Überschrift: „Ich bin superwichtig“ veröffentlicht, in dem nun  Martin Spiewak ausführlich auf Hatties Buch eingeht, zu einer Lobeshymne anhebt und mit der bedeutsamen Selbstverständlichkeit schließt, wie: „Der Neuseeländer rückt den Lehrer wieder dorthin, wo sein Platz sein sollte: ins Zentrum allen Redens über die Schule.“

Das hatten wir schon vor 14 Monaten gelesen.

Neu am Artikel von Martin Spiewak ist das wuchtige Bild einer jungen Lehrerin, die den rechten Arm, Faust im Handschuh bis zur Beuge, hochreckt und mit Glühbirne auf dem Kleidchen in einem Strahlenkranz steht. Das Outfit, ein Mix zwischen Batman und Angelina Jolie, sitzt, die Botschaft ist klar: superwichtig.

Also denn: Bewegt euch, hopp, hopp, im Kopp.